Sonntagspost: eine Reise durch die Vergangenheit

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Ich fahre. Raus aus Berlin. Vorbei an Spandau, an Hannover, an Hamm und an Münster.   Ich fahre vorbei an Dortmund. Dortmund mit seinem großen U. Ich kenne nur noch die Suite, das Bakuda, Deko Buschmann und Outcast. Nichts von alldem ist noch dort. So wie ich es nicht mehr bin. Es sind nur noch Erinnerungen. So wie ich eine bin.   Hier verbrachte ich die schönste Zeit meines Lebens und auch die Hässlichste. Hier erlebte ich zum ersten Mal Einsamkeit und Schmerz. Viel Schmerz und viele Tränen. Sorgen und Trennungen. Enttäuschung und Verrat. Ich lernte Grenzen zu überwinden und Abstand zu nehmen. Abzutauchen und zu fallen. Aber auch wieder aufzustehen und zu überraschen. Ich erlebte Neuanfänge und fiel dabei in alte Muster. Aber ich lernte auch echte Freundschaft und echte Liebe. Ich fahre weiter, mit gemischten Gefühlen und fühle mich nicht willkommen. Es hat sich nichts geändert.   Ich fahre vorbei an Bochum. Wo ich meine Mutter in jungen Jahren oft auf der Arbeit besucht habe. Wo ich Jennifer Rostock live auf Bochum total gesehen habe und auch Frittenbude. Wo ich meine liebsten Erinnerungen unter meine Haut gestochen habe und wo ich schmerzhaft lernte, wie sich Abweisung anfühlt. Wo ich fühlte, wie es ist, wenn deine Berührungen dem Menschen, den du liebst sich fremd anfühlen. Ich will weiter.   Ich fahre vorbei an Wuppertal. Vorbei an meiner ersten richtigen eigenen Wohnung und meiner ersten richtigen Arbeit. An meiner ersten Universität und meiner ersten richtigen Selbstständigkeit. Ich fahre an den zahlreichsten Locations vorbei, die wir zusammen fotografierten und auch am Butan. An dem vermutlichen hässlichsten Hbf der Welt und auch am hässlichsten Gefühl der Welt. Ich habe zugelassen, dass eine Person das Glück wird, das ich auf Händen trage und auch mein wunder Punkt. In Wuppertal habe ich Fehler gemacht und draus gelernt. Falsche Entscheidungen getroffen und falsche Ziele verfolgt. Falsche Menschen in mein Leben gelassen und richtige gehen lassen. Zum Dank hat mir diese Stadt mein Herz gebrochen und mich voller Hoffnungslosigkeit zurückgelassen. Also habe ich sie verlassen. Auf der Suche nach Glück. Weg von da. Weg von uns.   Ich fahre vorbei an Köln. In Köln sollte alles anders werden und zumindest war es die richtige Richtung zum Glück und auch zum Finden meiner Selbst. Hier lernte ich nicht nur mit Einsamkeit umzugehen, sondern sie auch zu bekämpfen. Das ging nicht immer gut und viel zu oft bin ich zugedröhnt und mit glasigen Augen nach Hause gefahren. Ja, die Richtung zur Zerstörung meiner Selbst habe ich auch gefunden und dann verzweifelt versucht mich irgendwo verstreut auf dem mit Bier und Koks und Kippen zugeklebten Partyboden wieder einzusammeln und irgendwie wieder zusammenzupuzzeln. Auch das ging nicht immer gut, aber einen Versuch war es wert. In Köln habe ich gelernt keine Angst mehr vor dem Unvermeidlichen zu haben und auch keine Angst mehr in das große schwarze Loch zu fallen, aus dem ich mich kurz vorher noch befreit habe. In Köln habe ich Mut gefunden durch Überwindung von Angst. Ich bin ins kalte Wasser gesprungen und habe Risiko gespielt. Ich habe mich getraut und nach dem Erwachsensein gegriffen – und war glücklicherweise weit genug davon entfernt. In Köln habe ich wirklich gedacht, dass ich bleibe. Zumindest länger. Aber in Köln habe ich gelernt, dass Pläne nichts für mich sind und – wieder – alles auf eine Karte gesetzt.   Es heißt immer der Weg sei das Ziel und in Berlin angekommen sind mir die ersten Male ausgegangen. Ich habe alles zurückgelassen, nur die Katzen mitgenommen in der Hoffnung auf den Restart Knopf drücken zu können und alles neu zu erleben. Und genau das habe ich getan. Es ist als würde man einen Film ein zweites Mal sehen und diesmal all die Details bemerken, die man vorher nicht sah. Ich habe gelernt das pulsierende Leben im Schmerz zu genießen und versucht die Liebe unter Glas zu legen und von allen Seiten zu beleuchten. Nur um ihren Ursprung in mir selbst zu finden. Ich habe das mit dem Erwachsensein noch mal probiert und habe erkannt, dass das nichts für mich ist. Ich habe Unbeschwertheit gelernt und in den Tag zu leben. Ich habe an mich geglaubt und mich auf Niemanden verlassen. Geprägt von Erinnerungen, die ich zu verdrängen versucht habe, habe ich ein Stück weit mich selbst gefunden und mich seither aufs Finden konzentriert. Aufs ausprobieren statt aufs studieren. Ich habe Erfolge erlebt und auch Rückschläge. Ich habe draus gelernt und mir nichts zu Kopf steigen lassen. Ich habe erkannt, dass ich eigentlich nie wirklich was zu verlieren hatte, aber dafür viel zu gewinnen. In Berlin habe ich gelernt, dass Glück eben keine Glückssache ist sondern Einstellungssache. Also habe ich beschlossen glücklich zu sein. Und Berlin ist der perfekte Ort um glücklich zu sein.   Manchmal fühlt es sich an als wären meine gesamten Erinnerungen auf einer großen Deutschland Karte verstreut und ergeben ein Leben, das sich vor Augen derer abspielt, wenn man die Punkte nur miteinander verbindet – wie ein großes Sternbild. Ein Bild, das ständig seine Richtung wechselt und niemals still steht.

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20 Kommentare

  1. Moin Masha,

    das war mal wieder ein schöner Post. Ich verfolge deinen Blog schon seit Jahren (2009? 2010???).
    Irgendwie schon krass zu sehen, wohin die Zeit ist. Aber dieser Post hat mich auch an meine gescheiterte Liebe in Oberhausen erinnert. Und jedes mal wenn ich nun in NRW unterwegs bin, muss ich daran denken. Ein komisches Gefühl, so ähnlich wie du es beschreibst.
    Jeder findet im Laufe der Zeit einen Ort, woran sein Herz hängt. Bei mir ist es mein geliebtes Hamburg.
    Komischer weise verspüre ich grad nur eine Sehnsucht nach den “alten Zeiten” und hätte fast mal wieder Lust auch ein Trip durch NRW zu machen. Um zu sehen, was sich verändert hat, was gleich geblieben ist und um festzustellen, dass ich dort eigentlich nicht hingehöre.
    Auch wenn deine jetztigen (Mode)Post mich nicht mehr allzu viel interessieren (nicht persönlich nehmen, ich kann nur mit dem Modestil einfach nix anfangen, mein Herz schlägt nunmal punkrock!) lese ich ihn trotzdem regelmäßig ;)
    Witzig ist auch, dass ich grade die Funktion “Monat auswählen” entdeckt habe und ganz ehrlich gesagt, mir grad alte Posts von dir angeschaut hab =D
    Ich wünsche dir weiterhin viel Freude und dass du uns an deinem Tun/Leben weiterhin teilhaben lässt! :-)

    Viele Grüße von der Waterkant!
    Svanne

  2. …sehr wahr,sehr authentisch….danke das du das mit uns geteilt hast.
    Hätte so viel wahres, graues Leben nicht erwartet aber so ist Leben … Danke fürs teilhaben…hat mich sehr berührt

  3. Ein sehr schöner Post :) Was mich an diesem Post besonders fasziniert ist, dass er mich mit den ganzen Absätzen und deinen Schreibstil an deine ganz alten Posts erinnert – wo du eben noch in den besagten Orten gelebt hast.

    Ich freue mich wirklich, wie gut es dir in Berlin geht :)

  4. Liebe Masha, ich lese sehr gerne deinen Blog und schreibe heute meinen ersten Kommentar. Mich hat dein Text sehr berührt. Das Leben ist eine Reise und jede Erfahrung prägt. Schön, dass du reflektiert zurückblicken kannst und das Positive mit nach vorne genommen hast. Alles Liebe in Berlin, einer für mich sehr inspirierenden Stadt. Verena

  5. Der Post ist sehr schön, aber ich bin ein kleiner “Grammarnazi” und verstehe nicht “Deutschland Karte”. Es ist “Deutschlandkarte”. Wie kommt man auf so eine Trennung? Und: Ab und zu fehlt auch mal ein Komma.
    Aber trotzdem ist an deiner Rechtschreibung nicht viel auszusetzen und ich bin mir sicher, dass du viel Mühe in diesen Post gesteckt hast, wenn auch etwas mehr in den Inhalt. Was aber auch völlig legitim ist.
    Nur das “Deutschland Karte” tat etwas weh. Mehr als die Darstellung von Dortmund..

  6. ,,[…] versucht die Liebe unter Glas zu legen und von allen Seiten zu beleuchten. Nur um ihren Ursprung in mir selbst zu finden.”

    Danke Masha für diesen schönen Post, aus dem ich vor allen Dingen obigen Satz mit in mein weiteres Leben nehmen werde.

    Twaja
    Nastja

  7. Sehr schade, dass du mit Dortmund so einen Mischmasch (vor allem negativ) der Gefühl verbindest. Ich liebe diese Stadt und ihre neue Vielfalt. Nicht alles ist schön, nicht alles glänzt, aber die Stadt ist ehrlich, das habe ich in Berlin noch nicht gefunden..

  8. Sehr schöne persönliche Worte. Ich finde es immer schön zu sehen wie du auf deiner “Reise” immer weiter angekommen bist und man fühlt sich ein bisschen so, als ob man dir durch diesen Blog und deine Offenheit dabei zuschauen konnte. Und wenn auch nur ein klitzekleines bisschen. :)

  9. Ich liebe deine Art zu schreiben und ich finde, dass ist einer deiner besten Einträge. War sicher nicht einfach für Dich so persönlich zu werden. Mach weiter so!

  10. Sehr offen geschrieben- du gibst so viel von dir preis. Ich freue mich für dich, dass du aufgestanden bist, Mut hattest für einen Neuanfang. Auch ich habe eine schmerzhafte Beziehung hinter mir, doch soll man sich nicht unterkriegen lassen! Es war echt das beste von dieser kranken Person loszulassen und jetzt stehe ich da wie ein Neugeborener Mensch mit einem Neuen an meiner Seite wie du :) Wir blühen auf und packen das Leben am Schopf!

    Liebe Grüße!
    https://redchillilounge-spiceupyourlife.blogspot.com