Sonntagspost: ich geh’ hier nicht mehr weg

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„Ich werde wahrscheinlich nach Berlin ziehen…“ Für mich war das Ganze damals ein Riesending und obwohl ich nicht mal sicher war, ob ich es auch w i r k l i c h tun würde, wollte ich unbedingt und behauptete es einfach. Ich hatte irgendwie gehofft, dass diese Info irgendwas in ihr auslösen würde, dass sie eine Art Bewusstsein entwickeln würde, dass ich nicht selbstverständlich und vielleicht bald weg war, aber alles was sie sagte war ein „Ahja“ und dann wand sie sich wieder anderen Themen zu. Es war ihr halt egal. Ich fühlte mich stehengelassen, im Stich gelassen. Da komme ich also mit dieser Bombennachricht und es juckt sie nicht einmal. Dabei waren wir mal beste Freundinnen. Damals. Vor noch einem Jahr. Damals, bevor wir uns fremd wurden.   Diese Szene ging mir urplötzlich durch den Kopf, als ich nachts angeheitert, mit tierischen Kopfschmerzen und einer Melancholie im Herzen nach Hause schlenderte. Meine Gedanken waren wirr und stolperten durch meinen Kopf ohne wirklich Sinn zu ergeben. Ich schaute meinen Füßen dabei zu, wie sie einen Schritt vor den nächsten machten, hier, irgendwo zwischen Wedding und Prenzelberg. Es war recht warm und selbst der Nieselregen störte mich nicht. Ich schlenderte Richtung U-Bahn und jeder Stein kam mir vor wie ein guter Freund. Ich ging vorbei an glitzernden Bars und belebten Restaurants. Ich ging durch meine Stadt.   Ich kann mich noch an mein erstes Mal in Berlin erinnern. Damals, als ich den Sommer in der Wohnung in Wedding verbrachte. Ich war alleine in Berlin und eigentlich weiss ich gar nicht, wie es dazu kam. Aber ich kann mich an die Spaziergänge durch den Tiergarten erinnern. Und an das erste Mal am Potsdamer Platz. Ich kann mich an das erste Mal am Ku’damm erinnern und auch an das erste Mal, als ich die schönen Altbauten in Charlottenburg sah. Damals kam mir Berlin so unendlich vor und gleichzeitig so unbegreiflich. Und wie ich da also mit meinen schwarzen Schleifen in Haar, mit meiner Lieblingshose und der Schachbrettmuster Vans U-Bahn fuhr und versuchte mir ein Bild von dieser Stadt zu machen, verliebte ich mich langsam in sie. Das ist jetzt fast 10 Jahre her. 10 Jahre schon, die ich in dich verliebt bin. Vor fast 10 Jahren beschloss ich also nach Berlin zu ziehen und vor fast 10 Jahren machte ich meine Ankündigung, die eh Niemanden interessierte. Vor fast 10 Jahren hätte ich beinahe die Schule geschmissen, nur um sie in Berlin zu beenden und bin froh, dass ich es damals doch nicht getan habe. Bin froh, dass ich nicht gleich alles hinschmiss für die eine große Liebe.   Ich kann mich auch an das erste Mal in einem Berliner Club erinnern, im Magnet, als er noch das war, was ihn ausmachte und als es das Knaack noch nebenan gab. Diesmal nicht alleine. Weisst du das noch? Wir tanzten zu der Musik, die ganz anders war, als das was wir aus unseren Clubs damals noch kannten und alles war irgendwie cool, weil es aufregend und neu war. Wir waren glücklich und ich war mir sicher, es lag zum Teil auch an Berlin. Du hast dich in Berlin verliebt.   Warum bin ich nicht eher nach Berlin gezogen, wo ich doch schon lange wusste, dass ich hierhin gehöre? Die Antwort ist einfach und komplex zugleich: weil die Zeit noch nicht reif war. Vielleicht muss man andere Städte kennenlernen, sie auch lieben lernen (wie damals mit Köln) nur um dann festzustellen, dass man woanders doch glücklicher wäre. Dass es am Ende doch nur diese eine Stadt gibt, die einen in jeder Hinsicht glücklich macht. Erst dann kann man sie wirklich zu schätzen wissen und hat die Gewissheit, dass diese Liebe unvergänglich ist und größer ist als alles dagewesene und alles was noch kommt.   Vielleicht ist das so ein bisschen wie mit Männern: man verliebt sich und trennt sich dann doch, weil man glaubt, dass es das Richtige ist, tobt sich woanders aus und kommt doch nicht voneinander los. Man geht sich aus dem Weg, meidet sich und zieht sich dennoch an. Man sucht Abstand und ist sich dennoch gedanklich ganz nah. Es gibt Lieben, die lassen an das Schicksal glauben und die Hoffnung aufkommen, dass am Ende doch zusammenkommt, was zusammengehört. Und genau das bedeutet mir diese Stadt.   Berlin ist meine große Liebe, dessen bin ich mir ganz sicher.  

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18 Kommentare

  1. Ich will mit meinem Kommentar niemandem zu nahe treten, Berlin ist eine schöne Stadt, keine Frage. Dennoch kann ich es absolut nicht mehr hören, es ist einfach DAS Trend-Ding der letzten Jahre, alle die “cool” sind und viel von sich halten ziehen dort hin… Es gibt noch so viele tausend mal schönere und coolere Städte auf der Welt, Berlin kann ich einfach nicht mehr hören und sehen. Es hängt mir zum Hals raus…

  2. Ein wirklich schöner Beitrag, auch wenn ich aus Berlin komme und hier aufgewachsen bin fand ich es schön zu lesen und zu wissen, dass doch noch irgendwer den guten alten Magnet kennt…ach ich fühlt mich gleich wieder jung :)

  3. Mit diesem Post sprichst du mir so sehr aus dem Herzen! Jedes einzelne Wort könnte ich – fast – so wieder geben. Ich habe mich vor nun schon 6 Jahren in diese Stadt verliebt, aber es wird bei mir noch etwas länger dauern bis ich wirklich reif dafür bin…
    Wenn ich so von Berlin rede, wie du es in diesem Post tust, erklären mich immer alle für verrückt und wie man nur von einer Stadt so besessen sein kann.. Diese Menschen haben einfach keine Ahnung wie sehr einen manche Orte in den Bann ziehen können!
    Ich hoffe, dass ich meine Ankündigung auch irgendwann mal umsetzten werde und wenn es nur für ein paar Jährchen oder doch für immer werden sollte :)
    Liebe Grüße!

  4. Ich habe deinen Blog von Anfang an verfolgt und kann mich da noch an einen Post erinnern “ik bin kein Berliner”?! Vertue ich mich da oder habe ich das falsch damals interpretiert?

  5. Ich war bis jetzt einmal in dieser tollen Stadt auf Besuch… Und ich fand’s genial! Ich habe im ipse getanzt, oh man ich will zurück! :-) Ich komme wieder, ganz bestimmt! Aber meinem schönen Zürich werde ich den Rücken nie kehren. :-)

  6. Wunderbare Worte!
    Die letzten haben mich total umgehauen. Ich wollte letztes Jahr aus meiner Heimatstadt gehen, doch alles kam anders. Jetzt stehe ich wieder am gleichen Punkt und denke drüber nach. Habe so große Ängste. Nur das es bei mir nicht Berlin ist, sondern Hamburg. Nur ob ich da wirklich hin gehöre, dem bin ich mir noch nicht so sicher, nur hier, wo ich jetzt bin, gehöre ich nicht hin.
    Das weiß ich, und ich werde es austesten. Manchmal dauert es ja, bis man die große Liebe findet.

  7. Masha! Der alte Magnet!! Dem habe ich schon so manche Liebeserklärung gewidmet. Sei froh, dass du erst reifen konntest, bevor du hierher gezogen bist, hier aufzuwachsen ist irgendwie das Paradies in der Hölle oder vielleicht auch umgekehrt. Und somit hat man als Berliner nunmal seine so ganz eigene Bindung zur Heimat, die je nach Gefühlslage zwischen Hass (ich will hier weg, ich muss hier raus!!) und innigster Liebe schwankt, wobei letzteres meist überwiegt. Doch der alte Magnet-Club, das war meine große Liebe, eine Liebe die mir (und auch einigen anderen) einfach genommen wurde und seit dieser Trennung ist nichts mehr wie es mal war. Aber Berlin ist immer noch da.

  8. Super schöner Beitrag! Vielleicht könntest du ja mal über deine Lieblingsplätze/Bars/Restaurants/Shops schreiben? So für jemanden der nicht in Berlin wohnt, aber bei einem Besuch mal was machen möchte was vielleicht nicht unbedingt in jedem Reiseführer steht?

    Mach weiter so ;)

  9. Schöne Worte und sicher ein schönes Gefühl, seine Heimat gefunden zu haben.
    Ich bin auch immer wieder fasziniert von Berlin und würde dort auch gern einmal leben. Aber so dauerhaft passe ich, glaube ich, dann doch nicht in die Stadt.
    >> froschgrün

  10. Hallo liebe Masha!
    Schöne Liebeserklärung an diese wunderbare Stadt. Berlin ist auch meine große Liebe! Und es geht mir mit ihr und den Männern genauso wie dir! Ich kann nicht mit ihr, aber ganz und gar nicht ohne sie!

    Toller Post!

    Liebste Grüße

    Sarah