Sonntagspost: über kreativen Geiz

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Ich schließe die Augen, setze ein Lächeln auf und wiege mich zur Musik. Vor meinem geistigen Auge (wohl eher Ohr) singe ich mit und erfreue mich an jedem Wort, jeder Zeile dieses Lieds. Es ist Ewigkeiten her, dass ich es gehört habe, aber irgendwie hat es nichts an seiner Großartigkeit verloren und auch nicht an den Emotionen, die es in mir auslöst. Ich denke an glorreiche Abende, vertanzte Nächte und an diese eine Freundin, mit der ich sie verbrachte. Bevor wir beschlossen, dass unsere Wege sich besser trennen sollten. Sie zeigte mir dieses Lied, von dem sie wusste, dass ich es von da an lieben würde und ich war ihr dankbar für dieses Geschenk. Ein Geschenk, das noch Folgen haben würde.   Wisst ihr, was ich überhaupt nicht leiden kann? Geiz. Und das beziehe ich nicht nur auf pekuniäre Angelegenheiten, sondern auch auf kreative Inhalte. Kennt ihr diese Menschen, die denken, sie hätten die Individualität für sich gepachtet und alle, die das gleiche hören/tragen/schauen wären traurige Mitläufer und „hätten es sowieso von ihnen geklaut“? Die, die darüber erhaben sind Trends zu setzen, weil sie der Trend höchstpersönlich sind? Und sobald eins ihrer gut gehüteten Geheimnisse gelüftet sind, boykottieren sie es weil es ja „jetzt Mainstream ist und es jeder hört/trägt/guckt“. Der Schuldige, der wagte das Geheimnis weiterzutragen wird geächtet und mit Ignoranz gestraft. „Der zeige ich nie wieder was, die macht es ja nur kaputt“ Ja natürlich, weil dieses wohl gehütete Geheimnis bloss nicht ans Licht kommen darf, da es dann seinen Zauber verliert – oder so. Als ob es der Indieband oder dem Nachwuchsdesigner dadurch besser geht, wenn Niemand ihn kennt außer die Handvoll Leute, die sich darum prügeln, wer the next big thing jetzt zuerst gehört und gesehen hat. Als Blogger mit einem natürlichen Share-Gen kann ich da nur den Kopf schütteln. Klar tut es auch mir ein bisschen weh ein Nirvana Shirt für’n 10er bei H&M zu finden, aber deswegen höre ich doch nicht auf die Musik gut zu finden. Aber seine Individualität dadurch zu definieren, dass man ausschließlich Unberührtes gut findet ist schon ein bisschen traurig und spätestens wenn das Selbstbewusstsein mit dran hängt empfinde ich Mitleid. Wie stressig muss es doch sein ständig auf der verzweifelten Suche nach etwas zu sein, das noch keiner (kaum einer) hat, statt sich einfach mal auf den guten alten Klassiker zu besinnen… Wie traurig muss es denn sein seinem Selbstbewusstsein beim Zerbröckeln zusehen zu müssen, wenn Band xy auf 1live gespielt wird? Und was für eine Selbstgefälligkeit muss man besitzen jedermann zum Vorwurf zu machen, er sei ein Nachmacher und man selbst sei das einzig wahre Zentrum der Kreativität.   Einige Zeit nachdem wir uns bei ihr auf dem Dachboden über Musik und Kunst, über Kleidung und Literatur ausgetauscht haben höre ich sie hinter meinem Rücken tuscheln. Ich höre ihren Unmut und ihren Groll, weil ich es wagte ihre (nicht unsere) Lieblinge in der Welt zu verbreiten. Weil ich sie ihr genommen habe.   Alter, werd’ erwachsen.  

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24 Kommentare

  1. Wie wahr, wie wahr!
    Ich finde es super, wenn eine Band oder etwas anderes Bekannt wird. Ist doch super die die Leutchen. Sollen sich die Fans der ersten Stunde doch freuen, das es ganz viele andere die sie ebenso toll finden.

  2. Toller Post und so wahr!
    Viele glauben immer, das was sie machen ist einzigartig und GEHÖRT IHNEN ALLEIN. Bei Bloggern gibt es das auch sehr oft…”ich hatte das als erstes und du hast mich kopiert”…manchmal wie im Kindergarten!
    LG
    Jenny

  3. Liebste Maria,

    ein toller Beitrag. Ich kenne so ein Verhalten auch von einer Person. Als ich sie darauf ansprach wollte sie es nicht glauben und fühlte sich nur noch mehr beraubt. Aber es war doch nie meine Absicht zu rauben sondern zu teilen.
    Ich verfolge deinen Blog schon so viele Jahre und könnte wetten du meinst V. Denk nicht mehr an diese traurige Person.
    Danke für die schönen Worte!

  4. Das Lied – das Lied würde mich interessieren! ❤️

    Und:
    Zum einen ja zum Post zum anderen nein:
    Mir ist nämlich auch schon untergekommen, dass ich gerade Sachen empfehle und man dann “nichts damit anfangen kann”, wenn’s ‘n paar Monate später dann alle hypen es dann anscheinend doch ganz super ist. Dieses nicht-wirklich-wertschätzen sondern ach-mir-gefällts-jetzt-halt-auch — furchtbar!

  5. Das hast du toll geschrieben. Na klar nervt es manchmal wenn alle plötzlich das Gleiche mögen, aber deswegen muss man es doch nicht gleich hassen. Man kann es sich doch einfach zu eigen machen, selbst interpretieren, ein Stück seiner Persönlichkeit reinlegen und es auf seine Art weiter lieben.

    Mach weiter so!

    Liebe Grüße, Bella
    http://kessebolleblog.blogspot.de

  6. Hahhaa, perfekt :) So ist es! (obwohl es mich wirklich stört, wenn 13-jährige Mädels mit nem Ramones Shirt von H&M rumrennen und nicht mal die Band kennen! Wenn sie sie hören, okay, find ich sehr gut, aber ansonsten…)

    1. Ja da stimme ich dir zu. Für mich sind Bandshirts ein Ausdruck des persönlichen Innenlebens eines Menschen und sie definiert einen. Wenn man aber etwas trägt weils cool ist, aber überhaupt nicht zu einem passt, stört es mich total. Es ist wie mit Tattoos. Sich etwas zu tattoowieren, nur weils Trend ist, aber gar nicht zu einem passt, finde ich absolut falsch und die Person wird es früher oder später bereuen.

      1. so sehe ich das auch , Bandshirts sind sind ein Statement, weiss ich nicht , wenn ich da trage , sollte ich lieber ein Blankoshirt wählen, obwohl natürlich jeder das tragen soll, was er mag ( was ich aber ja tue , wenn ich die Band genial finde ;0)…)

  7. Bob Dylan hat mal gesagt :

    “The highest purpose of art is to inspire. What else can you do? What else can you do for anyone but inspire them?”

    Damit bringt er es doch ziemlich auf den Punkt, oder? Sei es Designer, Fotograf oder Musiker, diese Menschen wollen uns mit ihren Werken inspirieren. Sie wollen dass wir ihre Werke mit anderen teilen und feiern.
    Wenn jemand bestimmte Sachen nur für sich beanspruchen will und diese, sobald sie eine größere Masse erreichen, nicht mehr würdigen, tja, dann tut es mir leid zu sagen, aber :
    Diese Menschen mögen nicht die Sache selber, sondern nur die Tatsache dass sie sich damit von der Masse abheben wollen.
    Ich für meinen Teil finde es toll wenn ich Menschen z.B. dazu bringe tolle Musik zu hören oder bestimmte Kleidungsstücke toll zu finden und man diese Leidenschaft dann teilen kann :)

  8. Super Beitrag Masha! Du sprichst immer so vielen aus der Seele, in diesem Fall auch wieder mir! Ich finde es zum Beispiel fast schon nervig gefragt zu werden, ob sich jemand das oder jenes auch kaufen “darf”, einfach, weil ich selber nicht so bin und sich die Frage für mich gar nicht stellen würde. Ich empfinde es nicht als “Nachmacherei”, sondern es schmeichelt mir, wenn jemanden meine Klamotten oder was auch immer gefällt und diejenige sich das gleiche kauft. Schade finde ich es, wenn jemand gar keine Individualität besitzt, dass liegt aber an der eigenen Entwicklung der Person und hat nichts mit mir zu tun. Zum Thema Mainstream kann ich nur sagen, dass ich es manchmal auch schon schade finde, wie manche Dinge mehr oder weniger “verramscht” werden. Dennoch ist es mir egal was Mainstream ist oder nicht, hauptsache die Sachen oder die Musik gefällt MIR!

    Liebe Grüße und einen schönen Sonntag! :-)
    Die Steffi

  9. Toller Post. Solche Leute, eigenartiger Weise tatsächlich eher Ladies ,kenne ich leider auch. Aber dafür liebe ich die umso mehr, die mir gerade verraten, wer denn die tolle Sängerin ist, die wir gerade von der selbstgebrannten CD im Auto hören. Die noch kleine Underground-Konzerte in Kellern gibt und mich total zum Träumen bringt und berührt. Es ist Geschenk genug, dieses Gefühl dann auch an andere weiter zu geben. Zum Glück kann man sich seine Freunde aussuchen :-)

    Kuscheligen Sonntag,
    lg Selina

  10. So ein Verhalten kenne ich vielleicht noch von der Schule früher aber das ist nun 15 Jahre her. Heute kenne ich sowas überhaupt nicht mehr. Das ist ja auch absolutes Kindergarten-Gehabe. Albern sowas.

  11. Solche Menschen sind wirklich schlimm und müssen ein wohl sehr geringes Selbstbewusstsein haben. Aber leider scheint es immer mehr von der Sorte zu geben. Mehr Individualisten die durch ihre Suche nach dem Einzigartigen irgendwie alle gleich erscheinen.

    LG
    Ela

  12. Dieser “ich bin immer anders. Und wenn die meisten a sagen, muss ich b sagen, ob es nun meine Meinung ist oder nicht. Ich bin immer ANDERS” ist zu einem sehr unsymphatischen Trend-Virus geworden!
    Sie verlieren die Freude daran, andere mit zu begeistern, denn es ist ihrs… Mehr als dass es einfach total bescheuert ist, fält einem dazu auch nicht mehr ein.
    Schönen entspannten Sonntag wünsche ich Dir :-)
    LG Aziza
    http://berlin-capital-life.blogspot.de/

  13. Oh ja, solche Leute gehen mir schon immer auf den Keks! “Ich habe Band xy schon gehört, da hat sie noch niemand gekannt”. JA, und nun? Klar ist es schöner, wenn man eine Band gerne hört und mit 50 anstatt 50 000 Menschen ein kleines kuscheliges Konzert erlebt. Aber ist man deshalb jetzt besser? Oder bei Klamotten/Schuhen/[insert random accessoire] “Ich hab das schon getragen, da fanden es alle scheiße, und jetzt läuft jeder damit rum. Und nun ist es besser etwas zu tragen, was alle kacke finden?

    Gibt so viele Beispiele, nunja, ich wünsche einen schönen Sonntag :)