Sonntagspost: das einfache Leben ist reich an Glück.

Anzeige
Langsam schlendere ich mit meiner Mutter durch den Sand. Er fühlt sich warm an unter den Füßen und an einigen Stellen auch etwas feucht. „Worauf hast du nachher Lust?“ „Auf Muschelsuppe!“ Also gibt es Muschelsuppe.. Diese abendlichen Strandspaziergänge sind zu einer Art Ritual geworden, wenn ich hier bin. Wir unterhalten uns dann über die Familie, mein Leben in Berlin oder was grade eben so ansteht. Manchmal auch nur über das Wetter oder Essen. Ich könnte mich stundenlang über Essen unterhalten…   Meine Eltern leben direkt am Meer und sie scheinen mir jeden Tag dankbar für dieses Glück. Als sie noch in Deutschland lebten hatten wir zuletzt ein Haus, ein großes Auto und lauter teuren Krempel. Hier in Südfrankreich leben sie in einer eher kleinen Wohnung, dafür mit traumhaftem Ausblick, einem kleinen Auto, dafür ein Cabrio, und einem Kater, einem roten. Sie tragen einfache, aber funktionale Kleidung und interessieren sich auch sonst nicht mehr großartig für Besitztümer, sofern sie nicht irgendwie praktisch sind. Sie sind nicht arm und sicherlich sind sie nicht reich, aber sie können jeden Tag ihre Füße in den Sand stecken, Meeresluft schnuppern und haben den schönsten Sonnenuntergang vor ihrer Tür – und damit betrachten sich als „reicher als die meisten anderen“.   Bei mir in Berlin bin ich weit weg von Sand und Meer und traurigerweise bekomme ich auch die schönsten Sonnenuntergänge meist nicht mit. Ich habe stattdessen eine tolle Wohnung, einen prall gefüllten Kleiderschrank und bin mitten im Geschehen. Ich suche nach den schönsten Schnäppchen um meinen Kleiderschrank noch mehr aufzufüllen und überlege seit geraumer Zeit welches Auto ich mir denn für den Winter hole. Ich bin umgeben von Besitztümern, Statussymbolen und einem Freundeskreis von Gleichgesinnten. Und alles was bei mir Zuhause hoch geschätzt wird….ist hier wertlos. Was nützt mir ein angesagter Beruf, wo die meisten Menschen hier im Dorf vermutlich nicht mal Internet haben, was bringt mir die Designertasche am Strand? Schuhe, die so viel kosten wie eine Monatsmiete? Ich würde mich hier nur lächerlich machen.. Also lasse ich all diese Dinge Zuhause. In Berlin. Wo sie auch hingehören.   Ich spüre ein Kitzeln am Zeh und der Wind peitscht mir den Sand gegen die Waden. Wir laufen stumm nebeneinander und hängen unseren Gedanken hinterher. „Diese Besitztümer versklaven dich“ sagt sie unvermittelt und ich bin kurz irritiert. Aber ich weiss, dass sie Recht hat. Sie muss es schließlich wissen. „Du bekommst immer mehr Geld, dein Lebensstandard steigt und das wiederrum ist mit immer höheren Kosten bzw. Ausgaben verbunden. Aber du magst dieses Leben, gewöhnst dich an die paar Quadratmeter mehr und das teure Essen. Du gewöhnst dich auch an die Freunde, die sich einen ähnlichen Lebensstil leisten können und all das macht dich zu einer Marionette dieser Maschinerie. Du musst immer mehr verdienen um immer mehr decken zu können, aber meinst du nicht du wärst auch mit weniger zufrieden? Der Stuhl für 30 EUR schenkt dir Freiheit, du kannst dich jederzeit davon lösen, während der Stuhl für 300 EUR ein Klotz am Bein ist. Glaub mir, das wirst du früher oder später noch selbst merken…“   Ich liebe mein Leben, aber ich liebe es eben auch hier zu sein. Abstand und Urlaub zu nehmen von meinem Leben. Die Designertaschen zu Hause zu lassen und den ganzen Tag in runtergewetzten H&M Jeansshorts, die ich mal vor einigen Jahren im Sale ergattert habe, rumzulaufen. Abends Wein zu trinken und Käse mit Baguette (nicht Baguette mit Käse!) zu essen, statt in angesagten Lokalen Sushi zu futtern. Und übers Leben nachzudenken, über mich als Menschen, statt über Events und Klamotten. In Berlin ist mein Kopf voller Gedanken, voller Aufgaben. Ich fühle mich dann wie ein halbfertiger Terminkalender, der seinem eigenen Leben hinterhinkt. Ein Hamster im Hamsterrad, das sich ein bisschen zu schnell dreht. Hier dagegen sind meine Gedanken wie leergefegt. Stattdessen atme ich die frische Meeresluft tief ein, atme aus und fühle mich leichten Herzens. Probleme und Sorgen wirken viel kleiner, wenn man die großes Weiten des Wassers betrachtet. Ich lasse alles los, was mich belastet und alles zu, das mir Glück beschert. Hier zu sein fühlt sich an wie Realitätsverlust. Wenn alles im Leben so einfach wäre… Das „einfache Leben“ in Berlin dagegen würde mich nicht so glücklich machen, wie es das hier tut, denn es fehlt schlichtweg die Ruhe und Entspannung, die es dafür benötigt. Berlin ist Action, Abenteuer und Chaos. Manchmal ist es genau das, was ich brauche: Ich brauche das wie die Luft zum Atmen, und wenn das Hamsterrad mal wieder zu überschlagen droht, weiss ich wo ich hin muss. An diesen einen Ort, wo Ruhe und Gelassenheit keine Luxusgüter sind. Wo ich Luft nicht konsumiere, sondern atme. Wo das einfache Leben reich an Glück ist.  

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

37 Kommentare

  1. Toller Post, tolle Mama!

    Macht dich sehr sympathisch, dass du vieles hinterfragst und dich mit den Dingen auseinandersetzt, die dich umgeben und die für dich vielleicht auch selbstverständlich scheinen.

  2. Soooo ein toller Post, ich bin begeistert! ♥
    Kommt wirklich zur richtigen Zeit :) Ich bin momentan in Island auf dem Land (für unbestimmte Zeit, musste einfach mal von Zuhause fliehen) und habe auch sehr viel von meinem Leben daheim gelassen. Eigentlich habe ich nur meinen Laptop, mein Handy und meine Kamera mitgenommen, um dieses Leben hier irgendwie festzuhalten und den Halt nicht zu verlieren.
    Ich gehe in Pulli und Jeans feiern, kümmere mich nicht um meine Kleidung oder mein Make Up und habe das Gefühl, dass sich hier auch niemand drum kümmert. Ich fühle mich hier so frei von allem und eigentlich möchte ich gar nicht mehr heim, mich dem Chaos und dem “Luxus” (der besteht für mich aus teurem veganem Essen und einer großen Wohnung) aussetzen. Mein Herz gehört irgendwie hier her, nach Island, zu den Wollpullis und Reithosen und Pferden und Schafen und den Roadtrips und Campingtouren. Und gleichzeitig heim, in meine Wohnung in Deutschland, zu meinem Freund und meinem veganen Leben in dem es mir an nichts fehlt.
    Aber mal ganz ehrlich: fehlt es mir denn hier an etwas? Meinem Glätteisen? Teuren Klamotten? Oder Sojasahne?

    Ganz ehrlich, ich verstehe dich so gut ♥ Meistens bin ich nur stille Mitleserin aber heute musste ich einfach mal kommentieren. Tollster Post seit langem, vielen Dank dafür :)

  3. Hi Masha!
    Ich finde diesen Post wundervoll. Die Worte deiner Mutter erinnern einen Menschen an das, was wirklich wichtig ist im Leben. Das Leben deiner Eltern ist wunderschön. Das hätte ich auch gern.

  4. Liebe Masha, dieser Artikel ist ein Geschenk des Himmels und kam genau zur richtigen Zeit. Bin gerade dabei in meine erste eigene Wohnung zu ziehen und mache mir viele Gedanken über die Einrichtung. Muss es das teure Regal sein oder reicht auch das, was mir seit Jahren von Ikea gefällt? Ein komplettes Schlafzimmer für tausende von Euro oder doch lieber das hochwertige Bett und dafür die Kommode und den Schrank um den ich schon so lange schleiche (mal wieder Ikea). Du hast mich gerade inspiriert Entscheidungen zu treffen und genau auf diese Art von Zeichen habe ich gehofft. Ich danke Dir und ich danke wem auch immer, dass ich genau jetzt diesen Artikel gelesen habe. LG Tina

  5. Liebe Mascha, ich lese Deinen Blog erst seit kurzem aber Du machst super Arbeit. Die Gedanken, die Du anregst, kann ich absolut nachvollziehen, habe da schon oft mit meinem Mann drüber gesprochen. Liebe Grüße, Kirsten

  6. Liebe Masha, ich lese erst seit kurzem Deinen Blog aber dieser Beitrag gefällt mir besonders gut. Ich bin einige Jahre älter als Du und die Gedanken Deiner Mutter (und Dir) kommen mir auch öfter in den Sinn. Liebe Grüße, Kirsten

  7. Ein toller Text Masha. Ich liebe deine Sonntagsposts! Jeden Sonntag regst du einen dazu an über bestimmte Themen nachzudenken. Ich lese deinen Blog seit Anfang an als du weder so viele Leser hattest geschweige denn die ganzen Kooperationen und ich bin so glücklich darüber, dass du trotzdem noch so sympathisch und auf dem Boden geblieben bist! Klar hat sich der Blog verändert, aber es ist klar, dass du nicht mehr so viel persönliches preisgeben kannst wie damals und es auch nicht mehr musst.. Denn als Außenstehende sieht es so aus als hättest du sehr viel verarbeitet. Es ist schön zu sehen wie bekannt dein Blog geworden ist und wie professionell er aufgebaut ist! Mach weiter so! Du bist klasse! Ich wünsche dir alles Glück der Welt und weiterhin viel Erfolg. Ich möchte nächstes Jahr mit meinem Modemanagment Studium anfangen und du hast mir viel Mut gemacht daran zu glauben, dass man alles schaffen kann, wenn man nur hart genug dafür arbeitet.

  8. super artikel :) ist echt mal was anderes und man sieht einmal mehr das du nicht eine typische fashionbloggerin bist sondern dir auch noch kritische gedanken machst :)

  9. Vorweg: Du siehst einfach schön aus und dein Körper ist ein Traum!:)

    Ich finde deine Sonntagsposts super. Mir persönlich geht es auch mehr darum, das Glück der Welt mitzunehmen, anstatt unmengen an Geld zu haben. Z.b. studiere ich gerade Soziale Arbeit.
    Geld kann vielleicht ökonomische gesehen das Leben sorgenfreier machen. Aber nicht Glücklich. Ich denke, Momente wie Tage am Meer und/oder ein Besuch bei den Eltern zeigen diese besonderen Momente des Lebens auf!

  10. toller, nachdenklicher Sonntagspost & schönes minimalistisches Oufit :)

    lass es dir gut gehen & stress dich nicht, jeden Tag posten zu müssen. Besonders nach deinen letztem Sonntagspost, haben alle dafür Verständnis :*

  11. Lustig, wie oberflächlich du bleibst. Auto ist nicht gleich Auto. Ohne Vorgeschichte. Ohne Hintergrundwissen, was deine Mutter zu dieser Aussage trieb, macht es wenig Sinn sich über Konsumkritik zu unterhalten. Welche Botschaft soll man als Leser nun mitnehmen? Dass du diese oberflächliche Gesellschaft und den Schlag von Mensch in Berlin verabscheust oder du eben doch ganz bewusst vom System profitierst und dich darin wohl fühlst.

    1. Niklas, scheinbar hast du bisher noch keinen Sonntagstext von mir gelesen, denn sie sind alle ähnlich aufgebaut.
      Du hast recht, ich bleibe oberflächlich, aber ich betreibe auch keine Konsumkritik. Ich erzähle einfach aus meinem Leben und die Schlüsse soll jeder selber ziehen.
      Wie eine kleine Geschichte, die zum Nachdenken anregen soll ohne dabei zu kritisieren o.ä.

    2. Lustig, wie eine Person mit demselben Schreibstil immer hier auftaucht und jemanden ”belehren” muss. Typisch Frau, man muss anonym seinen Senf ja überall dazugeben. Oder schreibt sie das alles nur aus Frust, weil sie z.B. von ihrem Freund für eine Hübschere verlassen wurde?

  12. wooow – genau soo geht’s mir. verrückt. ich möchte deinen Text und das Gefühl gar nicht mit vielen worten kaautt machen. gerade weil ich action brauche um an meinen zielen festzuhalten. die ruhe bekomme ich zu Hause in der Kleinstadt kurz vor Hamburg wenn ich von unserem Haus den Sonnengang und die Ebbe betrachen kann…
    ich wünsche dir noch eine schöne Zeit!

  13. Was für ein wundervoller Beitrag! Und wenn du zurück in Berlin bist, hast du so viele schöne Erinnerungen, die dich hoffentlich auch mal durchatmen lassen und dich daran erinnern, dass es einen Ort gibt, an dem alles so viel einfach ist.

  14. zuerst einmal ein kompliment dafür, dass es dir richtig gut steht, wenn du da so seele baumeln lassend am strand entlang schlenderst. du hast wirklich eine toll figur, masha.

    der text ist toll & ich glaube dass es in jeder situation im leben ein pro- & eine contraliste gibt. aber du machst das beste daraus. du lebst im hier & jetzt, du konsumierst, dass ist in ordnung. & wer weiß ob du dich nicht auch in 30jahren in einem kleinen bungalow mit ganz wenig zufrieden wissen kannst :)

    mach dir noch einen schönen sonntag

  15. Wundervoller Text <3
    Schön, dass du so einen tollen Ort und liebevolle Menschen hast, zu denen du ab und an mal fliehen kannst, so etwas ist sehr wertvoll :)

    Zur Versklavung: Das ist sowas von wahr! Schon Fight Club hat es richtig ausgegedrückt: Alles, was du hast, hat irgendwann dich.

    Aber es entwickelt sich sowieso alles so, wie es soll. Mit Mitte 20 habe ich ein ähnliches Leben geführt wie du gerade, nur weniger glamourös.
    Jetzt mit 32 – JETZT SCHON ;) – überlege ich, ob ich Berlin nicht sogar in den nächsten Jahren verlasse. Ich träume von Urlauben in Nepal oder Indien, irgendwo wo die Menschen ganz einfach leben, und von kleinen aber hübschen selbstversorgenden Containerhäuschen in geiler Natur.
    Also… man verändert sich.
    Wenn du so wie es gerade ist, glücklich bist, ist es das richtige. Aber es wird anders werden ;)

    Liebste Grüße

  16. Sehr schöner Beitrag :) Vielleicht solltest du das nächste Mal statt einem “300 Euro Stuhl” einen Flug zu deinen Eltern buchen, oder irgendwo anders hin wo es ruhig und schön ist :) So etwas tut immer gut und fördert nicht nur das Wohlbefinden sondern auch die Kreativität :)
    Genieß die Zeit :)

  17. Wie wahr das ist. Die selbe Feststellung machte ich im letzten Jahr, als wir mit einem kleinen Wohnmobil , mit nur dem nötigsten die Französische/Spanische Küste entlang gefahren sind. Man braucht nicht viel zum GLÜCKLICH sein.

  18. Ein richtig schöner und nachdenklicher Post.
    Ich bin auch der Meinung, dass Besitztümer einfach nicht glücklich machen..auf Dauer. Klar ist es schön nicht jeden Tag überlegen zu müssen, wie man zb. über die Runden kommt.
    Aber man fühlt sich, wie deine Mum so schön sagte, versklavt. Man muss seine Aufgaben und Erwartungen erfüllen um seinen Lebensstandard aufrecht zu erhalten, den man sich aufgebaut hat. Ich lebe zurzeit wie deine Eltern, weniger Besitztümer, kleine überschaubare Wohnung (nur leider nicht am Meer) dafür aber glücklicher :)