Sonntagspost: irgendwo zwischen Glückseligkeit und Sehnsucht

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„Maley kann jetzt den Balken runterlaufen….wobei eigentlich ist es eher ein Rutschen.“ Zum Beweis schickt er mir ein Video von Maleys erstem Versuch den Katzenbalken, der von unserem Bett runterführt runterzukraxeln. Man muss dazusagen, dass mein Kater nicht unbedingt die Geschicklichkeit in Katzenperson ist und bei günstigen Gelegenheiten mit seinem dicken Katzenpopo alles runterwirft, was nur geht. Selbst schwere Vasen, von denen ich eigentlich dachte, dass er sie nicht umschmeissen kann kriegt er mit einem Schwung zerstört. Er ist halt nicht nicht sehr galant – dafür aber kräftig! So kann er zwar Türen aufbekommen (wobei er sich dagegenwirft wohlgemerkt!), aber grazil einen, eigentlich ausreichend breiten Balken runterzukommen, das funktioniert halt noch nicht so gut. Also bleibt rutschen. Maley rutscht also runter – und ich bin nicht da um es zu sehen. Mir blutet das Herz als ich das Video über 1000 Kilometer entfernt sehe und eine Sehnsucht überkommt mich, wie ich sie schon lange nicht mehr so intensiv spürte. Noch 5 Tage bis ich meine Liebsten wiedersehe, meine Freunde, meine Katzen und meinen Freund. Noch 5 lange Tage bis ich Maley rutschen sehe.   „Was magst du morgen essen? Ich habe dir Griesspudding gekauft. Deine Lieblingssorte. Und Wasser.“ lese ich und muss lächeln. „Achso! Und Weintrauben!“ Ich grinse breit. Mein Freund kennt meine Schwächen bereits. Ein Tag noch und meine Vorfreude wächst von Minute zu Minute. Doch gleichzeitig kehrt auch die Wehmut ein, denn der Moment, wo ich meinen Liebsten in die Arme schließe ist gleichzeitig der Moment, wo mir wieder schmerzhaft bewusst wird, dass ich meine Familie erst wieder in einigen Monaten sehe.   Versteht mich nicht falsch, ich liebe es bei meinen Eltern, der Semja, zu sein, aber ich liebe es auch mit Freund und Katzen auf dem heimischen Sofa zu liegen. Das Einzige was ich ganz und gar nicht liebe ist, dass zwischen beiden Orten so viele Kilometer liegen. Es nervt mich, dass ich mich entscheiden muss und auch dass ich, egal wo ich grade bin, mich immer irgendwo in dem Zustand zwischen Glückseligkeit und Sehnsucht befinde.   In solchen Momenten wünschte ich manchmal mein Leben und meine Familie würden nicht so weit voneinander weg sein. Ich wünschte manchmal, ich könnte einfach an einem Sonntag zum Essen vorbeikommen. Oder zum Plaudern auf einen Kaffee. Ich wünschte, ich könnte zu meiner Mami gehen, sie umarmen und ihr sagen, dass ich sie lieb habe. Das kann ich zwar, aber erst wieder in gefühlten 10 Jahren.   Familie ist in meinen Augen alles und wer sich mit ihr umgeben kann kann sich glücklich schätzen. Sowie jeder, der die Möglichkeit hat seine liebsten Menschen täglich um sich zu haben. Ich glaube das vergessen die meisten und nehmen es als eine Selbstverständlichkeit hin.   Eine Träne kullert mir die Wangen runter, als meine Eltern mir am Flughafen winken, während ich durch die Passkontrolle gehe und dann noch eine. Ich muss mich zusammenreissen nicht wie ein Schlosshund zu weinen und keinen allzu verstörten Eindruck zu machen. Ich muss an die feste Umarmung meiner Mutter denken und an den Rückenklopfer meines Stiefvaters. Ich denke an ihr zittriges Lächeln und wie mein Stiefvater sie kurz etwas fester in den Arm nahm. Es kullern weitere Tränen und das Gefühl des Vermissens tritt ein kaum, dass wir einige Minuten voneinander getrennt sind. In solchen Momenten muss ich was im Duty Free kaufen gehen.   Einige Stunden später ist das alles fast vergessen, als ich die Tür aufschließe und bereits sehnsüchtig erwartet werde. Denn so sehr ich es auch liebe unterwegs zu sein, so schön ist es auch endlich wieder nach Hause zu kommen. Man kann halt nicht alles haben..  

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20 Kommentare

  1. Ein wunderschöner Post, der deine tiefe Verbundenheit in beide Richtungen zeigt…zur “Heimat” und zu deinem Freund. Er war wirklich sehr bewegend, aber auch ein bisschen bedrückend. Hast du super geschrieben!!

  2. Oh Mann, dein Post hat gerade schreckliches Heimweh in mir hervorgerufen… Nach meinen Katzen, meinem Freund, meinen Freunden, meinem Pferd, meiner Dachgeschosswohnung, meinem riesigen Bücherregal, meiner schrecklichen orangefarbenen Couch und den Fotos an meinen Wänden. Nach allem, was für mich Zuhause bedeutet.
    Wie schon in meinem letzten Kommentar erwähnt, lebe ich momentan auf Island und habe hier ein wunderbares Zuhause gefunden. Ich habe tolle Menschen um mich rum und lebe im (für mich) tollsten Land der Welt. Trotzdem blutet mein Herz, wenn ich daran denke, dass ich jetzt schon knapp einen Monat hier bin und noch mindestens 5 weitere Monate vergehen werden, bis ich meine Familie und meine Freunde wieder sehe.
    Hätte man mir vor einem Jahr gesagt, dass ich mal solches Heimweh haben würde, hätte ich laut gelacht. Da wollte ich eigentlich nur weg von daheim, je schneller desto besser. Und jetzt freue ich mich so so sehr darauf wieder heimzukommen, dass es schon fast wehtut.
    Aber vielleicht geht es darum, das ganze als Geschenk zu sehen. Was du hast. Wie viele Menschen haben schon zwei Zuhause? Zwei Anlaufpunkte? Zwei sichere Hafen, wo sie sich wohlfühlen können? Du hast zwei Orte auf der Welt wo Menschen auf dich warten, die dich lieben und dich vermissen, wenn du nicht bei ihnen bist. Vielleicht sollte auch ich das ganze als Geschenk betrachten. Ich habe in Island ein Zuhause gefunden und ja, natürlich vermisse ich meine Familie, aber ich werde die nächsten 5 Monate sehr genießen, bis ich alle an Weihnachten wieder besuchen komme und ich hoffe, du hast die Zeit in Südfrankreich auch sehr genossen. Ich bin so neidisch, wenn ich schon die Bilder sehe!

    Irgendwo zwischen Heimweh und Fernweh, das ist ja doch normal. Aber vergiss eben nicht es als das zu sehen, was es auch tatsächlich ist: ein riesiges Geschenk! :)

  3. Liebe Masha deine Sonntagsposts mag ich am liebsten! Immer wenn ich zu Ende gelesen habe, sitze ich immer wieder aufs Neue da und denke über so viele Dinge nach. Was ich auch ab und zu unglaublich schön finde, denn wie oft nimmt man sich schon im verrückten Trubel der Alltagsdinge Zeit für so etwas?
    Dieser Post hat mich aber diesmal unglaublich berührt. Jedes einzelne Wort könnte ich so übernehmen. Dieses Gefühl zwischen der Wiedersehensfreude und der Traurigkeit des Abschieds. Meine Mutter und meine Schwester leben in Russland und ich sehe sie höchstens einmal im Jahr. Der Rest der Familie ist in Deutschland verstreut. Und während ich mich in meiner “Studiumstadt” durch meine Freunde und meinen Freund heimisch und wohl fühle, bin ich umso trauriger immer wieder aufs Neue zu realisieren, dass es nie möglich sein wird alle meine Liebsten gleichzeitig um mich zu haben. Dieses Gefühl von Sehnsucht nach jemanden wird immer im Hinterkopf sein. Und der Schmerz des Abschieds ist leider manchmal stärker als dir Vorfreude..
    Danke für deine schönen Texte und allgemein den tollen, inspirierenden Blog. :)

  4. Ich kann’s total gut nachvollziehen. Jörg, mein Mann, war 4 Jahre unterwegs in Heilbronn und wir haben uns nur am Wochenende gesehen, eine totale Belastung. Jetzt sind wir aber wieder ‘normal’ zusammen. Mit meinen Eltern habe ich in Ägypten gelebt, sie waren insgesamt 10 Jahre dort, ich war nur 3 Jahre davon dabei, weil ich danach erst eine Ausbildung in Deutschland angefangen habe. Es ist wirklich extrem schwierig, wenn man sich gerade in einem bestimmten Moment nach einer Umarmung sehnt.xx

    1. Ein wirklich gelungener Sonntagsbeitrag.
      Ich kann deine Mischung aus Sehnsucht und Glück sehr gut nachvollziehen. Aber man kann sich glücklich schätzen wenn man ein zuhause hat nachdem man sich zurücksehnt. Ob es nun der Ort ist an dem man lebt, oder der Ort ist wo die Familie ist. Du hast anscheinend beides, das ist sehr sehr großes Glück ;)

      Liebste Grüße

  5. Ich kenn das Gefühl so gut… meine Eltern wohnen auch knapp 600km weit weg und gerade dieses “Sonntags einfach mal kurz zum Kaffee trinken hin fahren” fehlt mir manchmal auch so unglaublich…
    Ich will wirklich nicht mehr bei meinen Eltern wohnen, aber eine Entfernung von 10-50km wäre auch vollkommen ausreichend um Distanz und Privatsphäre zu wahren… Aber ja, wie du ganz richtig schreibst: “Man kann nicht alles haben.” :/

  6. Oh ich verstehe das so gut…..
    Mein Bruder lebt zwar “nur” 300km von mir entfernt, aber selbst das ist mir zu weit.
    Es ist halt nicht eben möglich, sich MAL EBEN auf einen Kaffee zu sehen oder zusammen Mittag zu essen!
    Nach dem Tod unserer Eltern, sind nurnoch wir beide übrig.
    Ich bin vor kurzem auch Tante geworden und es fuckt mich richtig ab, dass ich meinen Neffen nicht jeden Tag sehen kann, ich muss mich immer mit Fotos und Videos zufrieden geben, bis wir uns endlich wiedersehen können :-/
    Auf der anderen Seite habe ich hier meinen Sohn, meinen Mann und meine Freunde und ich genieße jeden Tag, den ich mit ihnen verbringen darf – aber es wäre schon toll, wenn ich “alles” um mich herum haben könnte.

      1. Naja, wahrscheinlich meckern auf hohem Niveau wenn man bedenkt, wie weit Du von deiner Familie entfernt bist aber das Prinzip ist das selbe.
        Es macht einen halt traurig,wenn man nicht alle Menschen die man liebt in seiner direkten Umgebung haben kann!

        1. oh ich kann es nachvollziehen. bei mir sind es auch nur 300 km. ich bin hier mit meinem freund und einer tollen pflegefamilie – wie sie es so schön nennen – aber vor gut zwei wochen bin ich tante geworden. ein frühchen … zu wissen die schwester liegt im kreissaal bekommt ihr kind und man kann nicht hin – ist schrecklich. gott sei dank habe ich es so schnell wie möglich hinbekommen und wenn es die zeit zulässt muss ich wieder regelmäßiger fahren – irgendwie. Aber mel eben einen kaffee oder nichte auf arm halten ist schon mir organisation verbunden.
          Aber wenigstens hab ich die möglichkeit sie zu besuchen – zu not auch mal schnell und das wissen sie zu schätzen!

  7. Hallo Masha,

    Was mich schon immer interessiert hat, wer macht eigentlich deine Fotos? du selbst oder hast du immer jemanden dabei?

    LG

  8. Gänsehaut pur…
    Mir geht es da genau so wie dir. Ich muss zwar Deutschland nicht verlassen aber dennoch trennen uns 800km. Ich wusste gar nicht das die Familie einen so fehlen kann. Liebeskummer wäre übertrieben aber ich finde es kommt dem schon sehr nahe :(