Der Leitfaden zum nachhaltigen Shoppen: Textilsiegel im Check (Teil 2)

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Reisen fallen aus, Events sind gestrichen und spontane Treffen mit Freunden schon seit Wochen nicht mehr möglich. Seit dem Lockdown fühlt sich jeder Tag, wenn nicht gleich, dann doch sehr ähnlich an. Das alles muss ich euch natürlich nicht erzählen – schließlich sind wir alle in der gleichen Situation. Doch was ich in den letzten Tagen und Wochen gemerkt habe ist, dass das mit der scheinbar „zusätzlichen“ Zeit, die zumindest ein Teil von uns bekommen hat, gar keine so einfache Angelegenheit ist. Die einen nutzen sie für sogenanntes Self-Improvement, sie kochen, backen, lesen und putzen ihre Wohnung an Stellen, die in den Wochen davor einfach nicht wichtig genug waren. Andere finden das eher lächerlich. Doch ich muss sagen, dass ich den Gedanken, sich für Dinge Zeit zu nehmen, die man sonst immer vor sich herschiebt.

In meinem Fall ist das die Beschäftigung mit einem Thema, das oft so widersprüchlich und komplex war, dass ich mich dann doch um dringendere Angelegenheiten gekümmert habe, statt mich damit zu befassen. Deshalb freue ich mich umso mehr, euch hier bereits den zweiten Teil meines Leitfadens zu präsentieren, in dem ich euch die verschiedenen Textilsiegel vorstelle – wofür sie stehen, was sie bedeuten und was genau sie über die Nachhaltigkeit des Materials und der Produktion aussagen.

(Den ersten Teil des Leitfadens findet ihr hier.)

Frei von Schadstoffen:
Öko-Tex Standard 100

Das grün-gelbe Siegel das an Teppichen, T-Shirts oder auch Handtüchern gefunden werden kann, gehört wohl zu den bekanntesten Zertifizierungen weltweit. Das Label wird von der „Internationalen Gemeinschaft für Forschung und Prüfung auf dem Gebiet der Textilökologie“ in verschiedenen Produktklassen vergeben: Artikel für Babys und Kleinkinder; Artikel, die hautnah verwendet werden; Artikel, die hautfern verwendet werden und Ausstattungsmaterialien. Dabei zeichnet das Siegel all die Produkte aus, die frei von krebserregenden Farbstoffen, Pestiziden und Stoffen sind, die Allergien auslösen könnten. Außerdem garantiert es Farbechtheit und einen hautfreundlichen pH-Wert. Dabei wird immer nur das Endprodukt kontrolliert – und zwar von verschiedenen Institutionen, die auf der ganzen Welt ihren Sitz haben, welche die Einhaltung der selbst gesetzten Standards garantieren sollen.

Die Kritik: Da das Zertifikat weltweit vergeben und somit weit verbreitet ist, herrscht auch ein gewisses Vertrauen in das Siegel, was dazu führen kann, dass Kunden sich bestärkt fühlen, ein Produkt zu kaufen. Doch dabei sollte nicht vergessen werden, dass das Siegel eigentlich nur eines wirklich verspricht: Dass das Endprodukt, das in den Geschäften hängt, frei von Schadstoffen ist. Doch der Begriff „Öko“ wird von vielen mit biologischen Produkten assoziiert und demnach auch mit entsprechenden Standards in der Produktion als auch der Verarbeitung der Produkte. Standards, die das Label nicht erfüllen kann. Es garantiert zwar, dass bestimmte Mittel nicht bei der Herstellung benutzt werden können, weil sie der Haut schaden – lassen jedoch den Anbau, die sozialen Bedingungen und den Umweltschutz dabei weitgehend außer Acht.

Wer trägt es? Das Siegel wird weltweit vergeben und ist dementsprechend auch weit verbreitet – nicht nur Kleidung, sondern auch Textilien wie Kissen, Teppiche oder Matratzen tragen das Label häufig. Im Bereich der Mode tragen es unter anderem Only, Kunert und The North Face.

Anspruch auf Nachhaltigkeit:
Made in Green

Ein weiteres Label aus der Öko-Tex Gemeinschaft ist Made in Green. Auch hier werden Kleidung sowie Heimtextilien zertifiziert und auf Schadstoffe nach dem Standard 100 geprüft. Doch das Label reicht deutlich weiter. Denn hier wird nicht nur auf den Verzicht von Pestiziden und Farbstoffen geachtet, sondern auch auf die sozialen Bedingungen. Die Materialien müssen also an „sicheren und sozialverträglichen Arbeitsplätzen produziert werden“ und „in umweltfreundlichen Betrieben“ hergestellt werden. Es wird nur für ein Jahr lang vergeben, was regelmäßige Kontrollen garantieren soll. Von Greenpeace wurde das Siegel nach Überarbeitungen und nach einer Entwicklung hin zu höheren Standards als „streng“ eingestuft. Außerdem verspricht das Label eine gewisse Transparenz, da jeder Artikel eine eigene I-D zugewiesen bekommt, welche über QR-Codes gescannt werden kann und die Lieferketten und Produktionsstätte des Produktes aufzeigt – sodass sich jeder ein eigenes Bild von der Herstellung machen kann.

Die Kritik: Obwohl die Überarbeitung des Siegels in den letzten Jahren für viel Lob gesorgt hat, kritisieren einige noch die Kontroll-Prozesse von Öko-Tex. Denn die Institute, die das Zeichen an Firmen vergeben, sind auch diejenigen, die sie schließlich kontrollieren. Oft werden hier verschiedene Stellen eingesetzt, um eine Unabhängigkeit zu garantieren. Bei Made in Green verzichtet man jedoch darauf – was viele für fragwürdig halten. Denn schließlich muss jedes Siegel bezahlt werden – und wenn die gleichen Institute, die das Geld bekommen auch die Kontrolle durchführen, kommen schnell Zweifel auf, wie streng die Kontrollen wirklich ausfallen.

Wer trägt es? Etwa 40 Unternehmen tragen derzeit das Made in Green Siegel. Hier könnt ihr einsehen, welche Brands dabei sind.

Das Traditionssiegel der Bundesregierung: Der Blaue Engel

Bei dem Blauen Engel handelt es sich um ein Umweltzeichen der Bundesregierung das bereits seit 1978 vergeben wird und „besonders umweltschonende Produkte und Dienstleistungen“ in den verschiedensten Produktkategorien auszeichnen soll. Das bedeutet, dass nicht nur umweltschonende Kleidung mit dem blau-weißen Siegel versehen werden, sondern auch recycelbares Klopapier, die umweltfreundliche Zahnbürste oder auch Car-Sharing Dienste. Für jede Kategorie greifen natürlich andere Kriterien, die von den jeweiligen Firmen erfüllt werden müssen. Diese werden von dem Umweltbundesamt festgelegt, welche eine Jury stellt, die sich aus Vertretern verschiedenster Brachen zusammensetzt. Hier finden sich Wissenschaftler, Vertreter der Bundesländer, Umwelt- und Verbraucherbände aber auch Handel und Handwerk zusammen. Diese diverse Zusammensetzung soll eine gewisse Unabhängigkeit generieren. Die in dieser Jury beschlossenen Kriterien werden alle drei bis vier Jahre aktualisiert. Das stetig wachsende Vertrauen in den blauen Engel hängt nicht nur mit seiner Unabhängigkeit zusammen, sondern auch damit, dass der Vergabeprozess dokumentiert und veröffentlicht wird. Zudem geht es nicht nur darum, dass die Produkte umweltfreundlich sind – sie müssen auch sozialen Standards gerecht werden, eine Gebrauchstauglichkeit nachweisen als auch nachweislich auf Chemikalien während der Herstellung verzichten.

Die Kritik: Was oftmals an dem Konzept des Blauen Engels kritisiert wird, ist, dass es einem suggeriert, dass das Produkt das gekennzeichnet wird, eine umweltfreundliche Variante ist. Jedoch ist dies oftmals nicht der Fall – meist sind die Produkte nur etwas schonender als andere aus der Kategorie – was jedoch nicht bedeutet, dass sie nachhaltig oder gar umweltverbessernd sind. Daher sollte man nicht annehmen, dass nur, weil ein Stück das Siegel trägt, die Kaufentscheidung dadurch legitimiert wird. Dies gilt allerdings für alle Siegel, die hier vorgestellt werden. Das Zertifikat fungiert zwar als nützliche Orientierungshilfe – nimmt einem aber nicht die Entscheidung selbst ab.

Wer trägt es? Den Blauen Engel findet man auf den verschiedensten Produkten, es werden nicht ganze Marken damit ausgezeichnet.

Faire Arbeitsbedingungen: Fair Wear Foundation

Die Fair Wear Foundation setzt sich ein klares Ziel: „die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie“ – ein Thema, bei dem immer noch viel zu gerne weggesehen wird. Dieses tut die FWF mit verschiedensten Partnern, wie NGOs, Unternehmen, Fabriken, Regierungen und Gewerkschaften. Dieses Ziel hat gleich mehrere Implikationen – dazu gehört unter anderem das Verbot von Kinderarbeit, sicherer Lohn und Arbeitsplätze als auch das Recht auf Vereinigungsfreiheit. Doch der Fokus liegt neben dem sozialen Aspekt auch bei der Produktion, die laut den Standards des Zertifikats so umweltschonend wie möglich gestaltet werden sollte. Gewährleistet soll die Erfüllung der Kriterien durch jährliche Performance-Checks. Dabei werden nicht nur die Endprodukte, sondern die gesamte Produktionskette überprüft. Demnach geht die FWF vor Ort, dorthin wo die Kleidung auch wirklich hergestellt wird.

Die Kritik: Die gekennzeichneten Brands verpflichten sich zwar daran zu arbeiten, die Standards zu erfüllen – das bedeutet jedoch nicht, dass sie die gegebenen Kriterien bereits erfüllen (können). Manche zeigen dabei zwar schnelle Ergebnisse, doch das ist nicht bei allen Marken der Fall.

Jeans: Armedangels

Wer trägt es? Die nachhaltige Brand Armedangels aus Köln als auch die schwedische Brand Acne Studio gehören zu den Marken, die sich dazu verpflichtet haben, die sozialen Standards des Labels zu erfüllen.

Ihr interessiert euch für nachhaltige Mode? Hier habe ich meine Lieblings-Brands, vorgestellt die alle unterschiedliche, nachhaltige Ansätze verfolgen.

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