Nachhaltige Mode: Vier Fragen, Vier Antworten

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In dieser Reihe widme ich mich immer wieder dem scheinbar widersprüchlichen Anspruch, Mode nachhaltiger zu gestalten. Hier möchte ich ganz konkret auf Fragen eingehen, die mir in den letzten Wochen durch den Kopf gingen und auf die ich schlicht keine Antwort wusste. Da ich vermute, dass ich nicht die Einzige bin, die auf der Suche nach Klarheit ist, möchte ich meine Recherche-Ergebnisse hier gern mit euch teilen. Dabei bin ich auf Brands gestoßen, die sich mit diesen Problemen schon viel früher beschäftigt haben als ich und ihre Kleidung aufgrund genau dieser Erkenntnisse nur unter Verwendung bestimmter Materialien gestalten. Diese möchte ich euch hier ebenfalls vorstellen.



Was sind eure liebsten Brands – und welche Widersprüche machen euch noch zu schaffen?

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Kunstleder vs. Leder: Was ist wirklich nachhaltig?

Ob es beim Anziehen meiner Sandalen im Sommer ist oder beim Tragen der Lederstiefel im Herbst. Immer wieder kommt diese Frage auf und bisher habe ich mich nicht genügend mit ihr auseinandergesetzt, sodass die Antwort nie eindeutig war. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ so vielfältig, ja beinahe schon beliebig verwendet wird. Bedeutet er, dass wir die Kleidung lange tragen, dass sie sich recyceln lässt, dass sie ohne tierische Materialien auskommt, dass sie biologisch abbaubar ist und gehört dazu, unter welchen Bedingungen die Kleidung hergestellt wurde? Weil „Nachhaltigkeit“ so uneindeutig ist, fällt es auch schwer eine eindeutige Antwort auf die Frage: ‚Kunstleder oder „echtes“ Leder?‘ zu finden.

Zunächst die Fakten.

Leder ist Tierhaut, ist also, je nach Verarbeitung, ein natürliches Produkt. Kunstleder hingegen ist ein Lederimitat, das meist aus verschiedenen Mischgewebe besteht. Gürtel, Jacken oder Mäntel aus Kunstleder werden somit oft als vegan bezeichnet. Lange Zeit galt Kleidung aus Kunstleder als qualitativ minderwertig, und da es aus Plastik besteht, heißt ‚vegan‘ in diesen Fällen nicht zwingend nachhaltiger. Doch dieses Image verändert sich zunehmend.

Vor allem unabhängige Labels setzen auf alternatives Leder, unechte Lederimitate also, die mit dem Kunstleder von Fast Fashion Brands nicht mehr viel zu tun haben. Denn Kunstleder muss nicht immer aus synthetischen Stoffen bestehen. Es kann ebenso natürlichen, pflanzlichen Ursprungs sein – der aus recyceltem Plastik hergestellt werden. Was man nämlich nicht vergessen sollte ist, dass echtes Leder nicht unbedingt natürlich ist – schließlich muss dieses Material erst verarbeitet und chemisch behandelt werden, damit es sich hält.
Die Antwort auf die Frage, die mich so umtrieb, ist nach der Recherche also: Es ist kompliziert. Doch es wird geforscht und weiterentwickelt.

Bis dahin ist es wohl am besten, Second-Hand-Lederprodukte zu kaufen, insbesondere da viele tolle Schnitte eh nicht so schnell aus der Mode geraten. Neben großartigen Vintage-Shops gibt es auch immer mehr Online-Second-Hand Stores, in denen echte Schätze zu ergattern sind. Bei Kleidung aus Kunstleder gilt es zuweilen zu schauen, welche Materialien verwendet wurden, ob diese recycelt wurden oder neu hergestellt werden mussten. Besonders kleinere Labels sind bei der Verwendung ihrer Materialien und dessen Verarbeitung transparent. Hier könnt ihr euch zunächst schlaumachen, bevor ihr zugreift.

Photo: Lilian von Trapp
Bag: Majavia

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Worauf muss bei Taschen und Accessoires geachtet werden? 

Da Taschen meist aus Leder und Kunstleder gefertigt sind, könnt ihr euer Wissen gleich an diesem Beispiel erproben. Handelt es sich um echtes Leder, fragt euch: Will ich das wirklich? Gibt es solche Stücke nicht auch gebraucht zu kaufen? Ist es Kunstleder, schaut, aus welchen Materialien es besteht oder ob diese recycelt sind. Das Gleiche gilt natürlich auch für alle anderen Accessoires, die aus Leder oder Lederimitaten bestehen.

Doch neben Taschen, Rucksäcken und Schals gibt es noch eine Kategorie an Accessoires, die ich bisher noch kaum in dem Kontext der Nachhaltigkeit besprochen habe: Schmuck. Das erste, worauf man achten sollte, bevor man Schmuck kauft ist vermutlich erneut: Brauche ich das? Ist das lediglich ein kurzlebiger Trend, den ich schon in einem Monat lieblos in der Schmuckkiste vergessen werde? Oder ist es ein zeitloses Stück, das vielleicht gleichzeitig eine Wertanlage ist oder von dem ich zumindest weiß, dass ich es lange an mir lieben werde?

Das Problem ist nämlich: Wir wissen einfach nicht, wo die Materialien für unseren Ring oder unsere Lieblingskette herkommen. Wenn die Brand es nicht transparent macht, gibt es nur wenig Möglichkeiten für den Konsumenten, dahinter zukommen. Doch die meisten Materialien stammen aus dem Edelmetallbau, aus Goldminen in Südamerika und Afrika, in denen oftmals Kinder arbeiten. Außerdem wird durch den Abbau von Edelmetallen und Edelsteinen die Umwelt zerstört; bei dessen Gewinnung werden umweltschädliche Stoffe eingesetzt. Die Alternative sind Materialien aus ökologischem Abbau oder das Recyceln von Metallen und Steinen für die Neuproduktion.

Nachhaltiger Schmuck ist auch deshalb so wichtig, weil er eben auch die soziale Komponente mit einschließt, wie es so oft in der (echten) nachhaltigen Mode der Fall ist. 

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Können
Knöpfe und Reißverschlüsse nachhaltig sein? 

Wenn wir über nachhaltige Mode sprechen, vergessen wir oft einen Bereich der Kleidung, ohne den sie beinahe undenkbar wäre – die sogenannte „Kurzware.“ Gemeint sind damit Nähte, Knöpfe, Reißverschlüsse, Nadeln und Gummibänder. Also all die Dinge, die unsere Kleidung zu dem machen, was sie ist und denen wir, zumindest unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit, kaum Beachtung schenken. Denn auch wenn ein Kleidungsstück aus biologischer Baumwolle gefertigt ist, kann die Kurzware noch immer aus giftigem, nicht-ökologischen Material sein, ohne dass es angegeben werden muss. Es wird also nicht unkomplizierter. Trotzdem sollte man auch diesem Bereich Aufmerksamkeit schenken und das Zubehör der Mode bestenfalls unter den gleichen Maßstäben bewerten, wie es mit den Stoffen selbst getan wird. Es gilt also Fragen zu stellen:
Unter welchen Bedingungen werden diese gefertigt, welche Materialien werden verwendet, lassen sich diese recyceln, welche Chemikalien sind in die Produktion geflossen?

Doch wie lässt sich das als Konsument erkennen? Mit dem bloßen Auge wohl kaum. An dieser Stelle können einige Siegel Orientierung bieten. (Eine Liste an Textil-Siegeln sowie eine ausführliche Bewertung findet ihr hier.) Die Zertifikate Naturtextil Best und Global Organic Textile Standard, beide IVN Siegel, bekommen nur Textilien, dessen Kurzware ebenfalls bestimmte Auflagen erfüllt. Sie dürfen keine Schadstoffe enthalten oder Allergien auslösen; auch muss eine Abbaubarkeit der Ware gewährleistet werden, die verhindert, dass Chemikalien freigesetzt werden. Das IVN Siegel bevorzugt daher Kleidung mit Kurzware die aus Naturmaterialien besteht. Ausnahmen gelten nur dann, wenn die Herstellung des Zubehörs mit natürlichen Stoffen nicht erlaubt oder nicht möglich ist, weil diese noch nicht auf dem Markt erhältlich sind. Trotzdem ist es hier noch sehr undurchsichtig und der Markt für nachhaltige Kurzwaren ist noch in der Entwicklungsphase.

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Welche Brands machen es vor?

Nachhaltige Sneaker von Veja: Öko-Sneaker müssen nicht so aussehen wie sie klingen. Bereits seit mehreren Jahren beweist das mit schlichten Designs die französische Sneaker-Brand Veja. Hier ist nicht nur das Design selbst nachhaltig, das ganz ohne großflächige Prints und aufgeregte Muster auskommt, sondern auch die Herkunft des Kunstleders und der weiteren Stoffe, welche von brasilianischen Bio-Bauern stammen, die fair bezahlt werden.

Nachhaltiger Schmuck von Lilian von Trapp: Der Echtschmuck der Berliner Designerin wird in Deutschland aus recyceltem Gold handgefertigt. Die Langlebigkeit der filigranen Stücke ist nicht nur durch das hochwertige Material, sondern ebenso durch das Design selbst garantiert. 

Taschen & Accessoires aus recyceltem Leder von Majavia:
Sie sind klassisch, sie sind zeitlos, sie sind modern und sie sind nachhaltig. Hinter dem Label aus Wien steckt ein ganzheitlicher nachhaltiger Ansatz. Die Taschen der Brand bestehen aus anfallenden Lederresten aus Manufakturen der Modeindustrie, die im Normalfall ohne weitere Verwendung entsorgt werden. Für die Herstellung des recycelten Leders werden Lederreste zerkleinert und durch die Zugabe von Naturlatex zu einem neuen Material verarbeitet.

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